[dropcap]V[/dropcap]om 1.-2. Juni 2015 fand an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) die III. Edition des jährlichen Viadrina Compliance Congress statt. Unter dem Leitthema „Compliance im Dialog: Wirtschaft, Staat, Wissenschaft und Berater“ lud das Viadrina Compliance Center in Kooperation mit der Compliance Academy hochkarätige Referenten aus unterschiedlichen Branchen ein um über die divergenten Perspektiven der Compliance-Entwicklung zwischen Staat und Wirtschaftsbeteiligten zu diskutieren. In insgesamt fünf verschiedenen Panels verfolgten die Akteure das Ziel gemeinsam über aktuelle Erkenntnisse und praktischen Erfahrung zu debattieren als auch den Compliance-Dialog anzuregen.
Eröffnung und Begrüßung
Neben dem einleitenden Vortrag des Vize-Präsident der Europa-Universität Viadrina, Prof. Dr. Stephan Kudert, unterstrich auch der Bundesminister der Justiz und Verbraucherschutz, Heiko Maas, durch sein Grußwort die Wichtigkeit dieser Debatte, indem er den Kongress als „Motor der Compliance-Praxis“ hervorhob. Der Bundesjustizminister betonte zudem, dass wir uns in diesem Zusammenhang fragen müssen, „ob die gesetzlichen Regelungen ausreichen oder ob wir hier nicht mehr Rechtssicherheit brauchen.“ Mirko Haase, Präsident des Berufsverbands der Compliance Manager, hieß genau wie der Veranstalter, Prof. Dr. Bartosz Makowicz, alle Gäste, Teilnehmer und Referenten an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) herzlich willkommen.
Eskalationsdynamiken und Präventionsansätze
Im Impulsvortrag von Prof. Dr. Ulla Gläßer vom Institut für Konfliktmanagement der Europa-Universität Viadrina erhielten die Teilnehmer einen umfassenden Einblick in die Hintergründe und den Auslöser der Compliance-Entstehung – nämlich den der zwischenmenschlichen Konflikte. Angefangen bei der simplen Fehlinterpretation von Signalen, bis hin zu offenen Konflikten und deren Eskalationsabstufungen wurde die Bedeutung der interdisziplinären Compliance betont. Ohne die enge Vernetzung von Problemfeldern und deren verschiedener Lösungsansätze, würde die Compliance-Debatte auf der Stelle stehen.
Compliance zwischen Aufsichtsbehörden und Wirtschaft
Dr. Stephan Simon setzte bereits am Anfang der Vortragsreihe ein klares Statement, indem er sich für Anreize zur Implementierung von Compliance Systemen aussprach, aber sich klar gegen entsprechende Belohnungen positionierte. Als stellvertretener Referatsleiter der Generaldirektion Wettbewerb der EU-Kommission verdeutlichte er zudem, dass die von ihm favorisierte Kronzeugenregelung bei Kartellverstößen die richtigen Anreize setzt und sich die Kooperation mit den Behörden im Regelfall positiv auf die Geldbußen auswirkt.

v.l.n.r.: Katharina Krauß, Dr. Klaus Moosmayer, Dr. Markus Schöner, Prof. Dr. Christoph Brömmelmeyer, Dr. Stephan Simon
Dr. Katharina Krauß veranschaulichte die Position des Bundeskartellamts. Neben der in §130 OWiG geregelten Möglichkeit der Konzernhaftung wurde nochmals unterstrichen, dass sich Compliance-Programme strafmildernd auf das Bußgeld auswirken können. Dies gilt jedoch nicht grundsätzlich, sondern hängt maßgeblich davon ab, inwiefern die Vorstandsmitglieder in den Vorgang involviert waren und sich Compliance Management Systeme (CMS) nicht als Scheinprogramme entpuppen.
Dr. Klaus Moosmayer stellte als Chief Compliance Officer der SIEMENS AG die Gegenseite zu seinen Vorrednern dar. Seiner Meinung nach sei die Aussage des spanischen Wettbewerbskommissars, Joaquín Almunia: „Why should I reward a compliance programme that failed?“, zu verneinen. Er machte deutlich, dass das Thema Compliance zu komplex sei und es zu viele verschiedene Annäherungen eines guten CMS geben kann, als dass sie durch einen Fehltritt per se zu pauschalisieren sei. Dabei führte er das Argument an, dass trotz intensivster innerbetrieblicher Kontrollen und idealer CMS, Compliance-Verstöße gerade bei tausenden Angestellten niemals gänzlich ausgeschlossen werden können.

v.l.n.r.: Dr. Klaus Moosmayer, Dr. Markus Schöner, Prof. Dr. Christoph Brömmelmeyer, Dr. Stephan Simon, Katharina Krauß
Darüber hinaus setzte sich Dr. Markus Schöner als Anwalt und Berater der Anwaltskanzlei CMS Hasche Sigle mit den Fragestellungen der Zusammenarbeit von Unternehmen mit staatlichen Behörden auseinander, nachdem ein Compliance-Verstoß bekannt geworden ist. Da Unternehmen das Ziel verfolgen, nicht nur die innere Ordnung, sondern auch das Fortbestehen der Belegschaft zu schützen, sei dieses Element von größter Bedeutung. Mithin sollte immer individuell abgewogen werden, ob eine volle Kooperation mit den Behörden, der defensiven Offenlegung von Informationen nicht entgegensteht.
Die anschließende Podiumsdiskussion, die von Prof. Dr. Christoph Brömmelmeyer der Europa-Universität Viadrina geleitet wurde, fasste alle behandelten Themenschwerpunkte zusammen und zeigte auf, wie weit die Sichtweisen der Behördenvertreter, die sich in ihren Vorträgen hauptsächlich auf internationale „Hardcore-Kartelle“ bezogen haben, und der Referenten aus der freien Wirtschaft auseinander gehen.
Finanzdienstleistungssektor
Das Problem der unterschiedlichen Auslegung von Wirtschaft und Staat griff auch Dr. Günter Birnbaum auf. Als Leiter der Abteilung Wertpapieraufsicht der BaFin gewährte er dem Publikum einen Einblick in die verschiedenen Prozesse zur Sicherstellung der Zusammenarbeit von betreffenden Unternehmen und der Bankenaufsicht. Zu den Pflichten der Unternehmen gehört heutzutage die Registrierung von Compliance-Beauftragten bei der BaFin, sodass Compliance aus seiner Perspektive inzwischen als Fenster in ein Unternehmen angesehen werden kann.
Ralf Stracke stellte in seinem Vortrag die wachsende Bedeutung von Compliance anhand von praktischen Beispielen aus der Sicht des Bereichsleiters Compliance bei der DKB dar. Bei dem Begriff Compliance kann mittlerweile nicht mehr nur von einer Modeerscheinung die Rede sein und bekräftige seine Aussage mit unzähligen Rechtsvorschriften, die die Banken einhalten müssen, wodurch ihr direkter Handlungsspielraum einschränkt wird.
Dr. Karl-Heinz Withus sprach als Berater des Unternehmens KPMG über die verschiedenen Aspekte der Compliance-Probleme in der Finanzdienstleistungsbranche an. Sein Hauptaugenmerk lag dabei auf der Kritik des stark regulierten Sektors und warf die Frage auf, ob bei der Vielzahl von Gesetzen inzwischen nicht von einer Überregulierung die Rede sein kann.
Der Leiter der Podiumsdiskussion, Prof. Dr. Peter Fissenewert, der als Rechtsanwalt der Firma hww tätig ist, erweiterte das Themenspektrum des Panels, um die Fragestellung, ob Compliance oder Schadensersatzprozesse sinnvoller seien. Gerade im historischen Kontext kann zusammengefasst werden, dass dieser Ansatz von ausländischen Unternehmen eindeutig durch eine einfache betriebswirtschaftliche Rechnung abgewogen und beantwortet wurde.
Außenwirtschaft
Über die streng reglementierten Ausfuhrbestimmungen der BAFA referierte Holger Beutel und veranschaulichte zudem die verschiedenen Aspekte der Export Compliance. Die damit verbundenen rechtlichen Vorgaben zum Internal Compliance Programme (ICP) nach § 2 AWV und Art. 9 Richtlinie 2009/43/EG beinhalten genaue Kriterien und Anleitungen für die Einhaltung jener Bestimmungen.
Wolfgang Sosic zeigte folgend, wie die praktische Ausführung der zuvor genannten Compliance-Vorgaben bei der Diehl Defence Holding gestaltet werden. Gerade die Bedeutung von Compliance in der sensiblen wehrtechnischen Produktionsbranche wurde mit dem Zitat von Warren Buffet fundamendiert: „It takes 20 years to build a reputation and five minutes to ruin it.“ Daher liegt die Verantwortung beim Unternehmen, seine Mitarbeiter so effektiv wie möglich fortzubilden und bei Verstößen zu sensibilisieren, um gegen mögliche Schäden vorzubeugen.
Aus der Perspektive der Berater berichtete Niklaus Voss von der AWB München und erklärte Details zum Internal Compliance Programme (ICP) als Grundpfeiler der Kooperation im Außenwirtschaftsrecht. Die strengen Auflagen der Behörden in dieser Unternehmensbranche machen eine Teilnahme am Wirtschaftsverkehr ohne ICP kaum möglich.
Während der anschließenden Diskussionsrunde kam die Frage auf, inwiefern die Funktion eines Whistleblowers in öffentlichen Behörden realisiert werden kann. Holger Beutel bestätigte, dass das Amt eines Compliance-Beauftragten in der BAFA vorhanden ist und dort seine Daseinsberechtigung hat.
Am zweiten Tag der Konferenz konzentrierten sich die Themenblöcke auf Compliance zwischen Justiz und Wirtschaft.
Strafverfolgung
Michael Loer klärte die Teilnehmer über die Sichtweise der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main auf. Dabei behandelte er das Thema Compliance im engen Zusammenhang zur allgemeinen Gefahrenabwehr und schilderte Beispiele aus der Praxis des öffentlichen Anklägers. Hierbei sprach er die Kooperation von Unternehmen mit Ermittlungsbehörden unter der Berücksichtigung des OWiG an, dass die Minderung der Geldbuße bei einem vorhandenen Compliance System möglich macht.
Im Vortrag von Dr. Werner Grebe, dem Chief Compliance Officer (CCO) der Deutschen Bahn AG, kam der Kooperationsgedanke zwischen Unternehmen und Behörden bei Compliance-Verstößen zum Tragen. Dabei veranschaulichte er seinen Ansatz provokativ: „Wenn ein Unternehmen kooperiert, kann es neben dem Staatsanwalt auf dem Beifahrersitz Platz nehmen, sonst droht der Kofferraum.“ Um die Chancen der Mitgestaltung im Laufe des Verfahrens aufrecht zu erhalten, sollte gerade von Seiten der Compliance-Officer der Dialog gesucht werden, anstatt die Behörden im Dunkeln tappen zu lassen.
Steffen Salvenmoser von der Unternehmensberatung PwC sieht sich als Berater der Seite der Staatsanwaltschaft näher. Daher sprach er sich für eine Kooperation aus und bekräftigte seine Meinung durch die Möglichkeit der Vermeidung von langwierigen Verfahren. Häufig gilt es im Zusammenhang mit komplexen internationalen Unternehmensstrukturen und der schwierigen Beweissicherung Rechtshilfeersuchen im Ausland zu stellen und läuft dadurch Gefahr teure Verhandlungsverzögerungen einzubüßen.
Strafgerichtsbarkeit
Richter Hans-Joachim Eckert des LG München eröffnete mit seinem Vortrag das letzte Panel zur Bewertung von Compliance-Programmen aus dem Standpunkt der Justiz. Während der Präsentation wurde die Funktion des Compliance Officer kritisch hinterfragt und aufgezeigt, dass sich gerade dieser Berufszweig ernsten Vorwürfen stellen muss. Neben dem fehlenden Schutz von Whistleblowern, Vertuschungen und der Frage wann ein Compliance Officer für seine Aufgabe geeignet sei, zeigte er die Kehrseite der Compliance-Branche auf.
Mirko Haase, der als Regional Compliance Officer bei der Adam Opel AG tätig ist, schaffte mit seinem Vortrag einen Kontrast zu seinem Vorredner. Aus den Erfahrungen eines praktizierenden Compliance Officer beanstandete er aktuelle rechtliche Hürden: Deutschland hinkt im internationalen Vergleich der Geldbußenminderung hinterher. Eine Harmonisierung innerhalb der EU sei deshalb notwendig um zumindest Rechtssicherheit innerhalb der Unionsgrenzen zu gewährleisten. Zusätzlich forderte er mehr Schutz vor Gerichten, da die Praxis erkennen lässt, dass gerade moralisch handelnde Compliance Officer schnell im Fadenkreuz stehen.
Als letzter Referent präsentierte Prof. Dr. Peter Fissenewert seine Sicht als Berater und akzentuierte die Zusammenarbeit der Unternehmen und Behörden als wesentliches Problem. CMS haben das Ziel präventiv zu arbeiten, wobei Überschreitungen trotz größter Sorgfalt nicht auszuschließen sind. Demzufolge sei die sog. „Feigenblatt“-Compliance in seinen Augen nicht diskussionswürdig. In diesem Zusammenhang wurde über die Kooperation beider Konfliktseiten moniert und die träge Kommunikation der Behörden und deren stoische Position trotz Zuarbeit als Kernproblem angesehen. Der logische Umkehrschluss, dass ein Unternehmen mit kartellrechtlichen Kontakt ohne Compliance besser dasteht als mit, sollte daher zu denken geben.
Die nachfolgende Podiumsdiskussion, die von Prof. Dr. Thomas Rotsch der Universität Gießen geleitet wurde, wies nach, dass es bei der Zusammenarbeit von Wirtschaft und Strafverfolgungsbehörden weitaus mehr als nur rechtliche Barrieren zu überwinden gilt. Vor allen Dingen kommt es immer wieder zu ethischen Widersprüchen, sodass Problemgebiete wie gefährdete Angestellte und internationale Auswirkungen oberste Priorität auf beiden Seiten genießen sollten, um dem in Zukunft noch effizienter entgegenwirken zu können.
Fazit
Der Erfolg des dritten Viadrina Compliance Congresses zeigte den großen Bedarf an Diskussionsplattformen innerhalb der Compliance-Branche und den beteiligten Akteuren. Gerade durch die Diversität der diesjährigen Referenten, die nicht nur aus ihren persönlichen und professionellen Erfahrungen berichteten, sondern überdies den Dialog suchten, erlebten die Teilnehmer richtungsweisende Podiumsdiskussionen, die die Compliance-Debatte weiter angetrieben haben. Wirtschaft, Staat, Wissenschaft und Berater haben gezeigt, wie sinnvoll es ist gemeinsam zu diskutieren, um so die Weichen für die Zukunft zu stellen. Neben dem positiven Resultat offenbarten sich auch weiterhin große Unterschiede beim Verständnis für Compliance-Maßnahmen zwischen der Wirtschaft und den staatlichen Behörden. Insbesondere im Bereich der strafmildernden Maßnahmen bei CMS wird in Zukunft intensiv weiterdiskutiert werden müssen um einen Konsens zu erreichen. Diese und weitere aktuelle Fragestellungen werden zu den Themen der IV. Edition des VCC im nächsten Jahr gehören, zu dem wir Sie bereits jetzt ganz herzlich einladen möchten.
verfasst von Mag. iur. Alexander Matuk, LL.M.
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