Bericht

7. Viadrina Compliance Congress

Mensch, Maschine, Sanktionen – Compliance 2020

13. - 14. November 2019, im Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssystem FOKUS

Bereits zum siebten Mal lud das Viadrina Compliance Center zu seiner jährlichen Tagung ein. Am 13. und 14. November im Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme FOKUS in Berlin, tauschten sich 43 geladene Referenten/innen in Paneldiskussionen zu den Themen, wie Digitalisierung im Verhältnis zum Menschen und seinen Werten, dem Referentenentwurf zum Unternehmenssanktionsgesetz, als auch der EU-Richtlinie zum Hinweisgeberschutz, aus.

Erstmalig begann der VCC mit Parallelworkshops zu den Themen: Geschäftspartner Compliance, Interne Untersuchungen sowie Compliance Risk Assessment.

Nach dem praktischen Einstieg folgte die Eröffnung und Begrüßung durch die Veranstalter: Prof. Dr. Manfred Hauswirth, Geschäftsführender Institutsleiter des FOKUS, Prof. Dr. Jürgen Neyer, Vizepräsident der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) (EUV), Dr. Rainer Markfort, Mitglied des Vorstandes bei DICO.

Abschließend erläuterte Prof. Dr. Bartosz Makowicz, Viadrina Compliance Center, die Themenwahl der diesjährigen Tagung, die besonders vom aktuellen Gesetzesvorhaben geprägt ist – auch wenn augenscheinlich die Sanktionierung in Vordergrund steht, dürfe der Mensch und seine Werte nicht aus den Augen verloren werden.

Daten als neuer Rohstoff - Impulsvortrag

Manuela Mackert, Chief Compliance Officer bei der Deutschen Telekom AG, hielt anschließend einen Impulsvortrag zur Rolle künstlicher Intelligenz (KI) und einer wertebasierten Gestaltung dieser im Geschäftsalltag. Europa liege bei der Entwicklung von KI im globalen Vergleich zurück, könne sich aber durch eine Entwicklung von europäischen ethischen Prinzipien zukünftig im Wettbewerb abheben.

KI – Ethik & Compliance

Nach ihrem Impulsvortrag nahm Manuela Mackert neben ihren Kollegen an der ersten Diskussionsrunde teil und betonte, dass die Gestaltung von KI Transparenz bedürfe, um  durch Glaubwürdigkeit den Mehrwert von KI kommunizieren zu können. Prof. Dr. Lars Linsen, WWU Münster, erklärte dass KI durch seine Komplexität oft als Bedrohung wahrgenommen werde. Daraufhin äußerte sich Dr. Stefan Ullrich, Weizenbaum-Institut Berlin, der KI nicht als Bedrohung sehe, da diese unter dem Begriff der Automatentheorie schon seit 70 Jahre existiere, aber vielmehr die Geschäftsmodelle, die dahinter stünden.

Prof. Dr. Sascha Friesike, Universität der Künste Berlin, bestätigte dies und bezeichnete die Suche nach KI-Geschäftsmodellen als Schatzsuche von Unternehmen, die zu einer unkontrollierten Entwicklungsgeschwindigkeit auf dem globalen Markt führe, bei der die Qualität oftmals zurückbleibe.

Erwin Schwärzer, Leiter der UA – Digitale Informationstechnik BMI, beschrieb daraufhin die Schwierigkeit der Politik, der Geschwindigkeit Privater bei der Entwicklung von KI- Geschäftsmodellen nachzukommen – die Schaffung von Kommissionen sei jedoch eine Annährung und ein Zeichen die Bedeutung des Themas erkannt zu haben.

Die Moderation des Panels übernahm Richard Huber, FOKUS.

Verhaltenspsychologie – ein neuartiges Compliance Werkzeug!

Im zweiten Panel, moderiert von Prof. Dr. Ruth Linssen, Professorin für Soziologie und Recht an der FH Münster; wurde der Trend zur Selbstkontrolle des Arbeitnehmers beleuchtet. Niklas Keller, Mitbegründer der Simply Rational GmbH, verwies in diesem Sinne auf die Komplexitätsreduktion von Compliance-Regelungen für ihre Adressaten, woraufhin Christina Freidl, Deputy Compliance Officer bei der Takeda Pharma Vertrieb GmbH & Co.KG, die Kommunikation mit Mitarbeitern durch Kanäle wie Compliance-Sprechstunden, Briefings und Inbox-Lösungen als entscheidend sehe, um ein Bewusstsein für Compliance-Regelungen sowie damit einhergehendes Verpflichtungsgefühl zur Integrität im Unternehmen zu schaffen. Tobias Heine, Leiter der Together4Integrity bei der Volkswagen AG, verwies im Hinblick auf die Frage nach einen „Legal Human Risk-Assessment“ auf die Problematik der Wortwahl sowie darauf, dass der Risikofaktor für Fehlverhalten zu 70 Prozent in der Umwelt des Menschen liege.

Parlamentarische Runde – Neuarchitektur der Unternehmenssanktionierung

Das dritte Panel zeichnete sich durch die Aufstellung von ausschließlich politischen Vertretern aus. Der Gesetzesentwurf wurde durch Dr. Jan-Marco Luczak, MdB, CDU, Dr. Johannes Fechner, MdB, SPD, sowie Niema Movassat, MdB, Die Linke, erläutert. Besonders diskussionswürdig war zum einen die personelle Unterbesetzung der Justiz im Hinblick auf das Legalitätsprinzips sowie die Sanktion einer möglichen Unternehmensauflösung. Die Herausforderung in der Gesetzgebung liege darin individuelle CMS zu berücksichtigen. Moderator Prof. Dr. Peter Fissenwert, Professor für Wirtschaftsrecht, RA und Partner der Kanzlei Buse Heberer Fromm, wies in kritischer Weise darauf hin, dass in dem Gesetzesentwurf der Begriff Compliance nicht explizit genannt werde.

Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität- zwischen Theorie und potenzieller Anwendungspraxis

Das vierte Panel schloss sich dem vorherigen thematisch an und begann mit einem Einführungsvortrag von Prof. Dr. Christoph Brömmelmeyer, Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Europäisches Wirtschaftsrecht, EUV, in dem er versuchte die Frage nach der Rechtsnatur des Gesetzesentwurfs zu beantworten. Der Entwurf stehe zwischen Strafe und Geldbuße – spätestens im Hinblick auf die Rechtsfolgen sei dies relevant. Daraufhin verwies Prof Dr. Lena Rudkowski, Professur für Bürgerliches Recht und Arbeitsrecht, Justus-Liebig-Universität Gießen, auf offene arbeitsrechtliche Praxisfragen –  Arbeitnehmer müssen zumindest davor geschützt werden sich selber zu belasten.

Dr. Konstantin Tiemann, LL.M., Head of Group Compliance, SWISS KRONO Group, unterstrich die Relevanz des Gesetzes als Anreiz zur Implementierung eines CMS.

Vorsitzender Richter am LG Köln, Dr. Amr Sarhan, erläuterte die Problematik des Gesetzentwurfs in Anbetracht der Praxis der Gerichtsbarkeit und wies primär daraufhin, dass dem Gericht bei der Aufklärung die entsprechende Expertise und das notwendige Personal fehle sowie, dass die Staatsanwaltschaft durch die Aufarbeitung von privaten Ermittlungsergebnissen vor Schwierigkeiten gestellt werde.

Prof. Dr. Hans-Michael Wolffgang, Direktor des Instituts für Zoll-und Außenwirtschaftsrecht, WWU Münster, der das Panel moderierte unterstrich, dass unterschiedliche Wirtschaftsbereiche unterschiedliche CMS zur Folge hätten und eine gewisse Flexibilität im geplanten Gesetz zu begrüßen sei.

Impulsvortrag: „Reform der Unternehmenssanktionierung und Neuregelung interner Untersuchungen.“

Der zweite Tag des VCC begann mit einem Impulsvortrag von Dr. Matthias Korte, Ministerialdirigent, Leiter der Unterabteilung RB, BMJV, in dem er auf Parallelen des Gesetzesentwurfs zur bisherigen Aufklärungspraxis verwies. Zudem sei der geplante Beschuldigtenstatus der Unternehmen und die damit einhergehende Anwendung der deutschen Strafprozessordnung  positiv zu beurteilen, da diese ein Schutzrecht sei.

Belohnen oder bestrafen? Eine ländervergleichende Denk-Fabrik im Lichte des Referentenentwurfs

Im folgenden Panel wurde im Ländervergleich über bestehende vergleichbare Gesetze zum geplanten Unternehmenssanktionsrecht diskutiert. Neben Dr. Matthias Korte nahmen Dr. Maximillian Wellner, Head of Compliance & Legal, Greiner AG, für Österreich, und Prof. Dr. Víctor Gómez Martín, Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht, Universität Barcelona, für Spanien teil. Moderator Prof. Dr. Stefan Siepelt, Partner LLR, Leiter AK „AR und Compliance“ bei DICO, Direktor ICC der RFH Köln, fasste die Ansätze der beiden Länder zusammen, wobei Spaniens Gesetz eine mahnende Funktion für Unternehmen habe und das Österreichische ein Auffanggesetz sei.

Bedeutung standardisierter CMS-Lösungen und Zertifikate für Sanktionszumessungen nach dem Referentenentwurf

Moderator, Florian Maciuca, Director WP Corp. Gov. Assurance, Deloitte, leitete das fünfte Panel mit der Frage nach „angemessenen Vorkehrungen“ im Sinne des Gesetzesentwurfs ein. Manja Ehnert, Legal and Compliance, SIEMENS AG, Mitglied das AK „Governance und Compliance Management“ am DIN, verwies besonders auf den Grundgedanken der Freiwilligkeit einer Zertifizierung. Dr. Katrin Roesen, Referatsleiterin, Sonderkommission Kartellbekämpfung, Bundeskartellamt, hinterfragte, ob eine Zertifizierung ernsthafte Bemühungen eines Unternehmens abbilden könne. Joachim Eckert, Vorsitzender Richter a.D. LG München, verwies hingegen auf die Notwendigkeit von Transparenz bei der Bemessung der Strafhöhe – eine individuelle nachträgliche Beurteilung von präventiven Maßnahmen sei durch die Justiz anhand von sentencing guidelines möglich. Dr. Ernst-Joachim Grosche, CCO Remondis Assets & Services GmbH & Co. KG, stellte fest, dass auch wenn eine zwingende Bindung an standardisierte CMS-Lösungen nicht wünschenswert sei, bestimmte Leitlinien Unternehmen eine Hilfestellung bieten würden.

Hinweisgeber und Hinweisgeberschutz im Lichte der neuen EU-Richtlinie

Im letzten Panel, moderiert von Dr. Thomas Sonnenberg, RA und Partner bei CMS Hasche Sigle, wurden verschiedene Aspekte des Hinweisgeberschutzes erläutert. Moritz Homann, Managing Director Corporate Compliance bei EQS, stellte als Vertreter des Softwareentwicklers die Anonymität bei der Aufklärung besonders heraus, da diese die Hemmschwelle des Erstkontakts eines Hinweisgebers reduziere. Edgar Radziwill, Leiter des Referats II A2- Strafgesetzbuch (BT), BMJV, und Michael Kayser, Stellv. Obmann, DIN „Governance und Compliance Management“, waren sich einig, dass die Ausgestaltung interner Meldewege im Interesse des Unternehmens liege, da diese eine gewisse Verfahrenskontrolle gewährleiste. Bestätigt wurde diese Annahme mit der Aussage von Dr. Günter Birnbaum, Abteilungsleiter BaFin – Hinweise, die bei Behörden eingehen, kämen hauptsächlich aus dem Unternehmen selber.

Mit Abschluss- und Dankesworten an alle Referenteninnen und Referenten sowie Teilnehmerinnen und Teilnehmer, schloss Prof. Dr. Makowicz den 7. VCC.

Ein Bericht von Patricia Zak, Mitarbeiterin am Viadrina Compliance Center.